Rehe in der Abenddämmerung

 

Ein Heimatlied für Horst Seehofer

Ursprünglich wollte ich mein Heimatlied an Horst Seehofer schicken, doch der hat gerade so viel um die Ohren, dass ich nicht erwarten kann, dass er sich das in Ruhe anhört. Ich hatte aber schon angefangen, ihm zu schreiben:

 

 

Sehr geehrter, lieber Herr Minister Horst Seehofer, grüß Gott!

Sie sind unser Minister für Heimat. Ich habe was für Sie: ein selbstgemachtes Heimatlied, bei dem ich mich auf dem Riesen-Pling-Plong begleite. Es könnte Ihnen gefallen. Es könnte ein verbindendes Lied der Deutschen sein, das den Osten mit dem Westen und den Norden mit dem Süden vereint. Zumindest hoffe ich, dass mein kleines Nordlicht bis hinunter nach Bayern leuchtet und dass mein Lied die Ossis und Wessis umarmt und vielleicht sogar die Generationen zusammenführt …

So wollte ich anfangen. Ich wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und schon zu Anfang verraten, warum ich ihm das Lied an sein Minister-Herz legen wollte. Doch beim Hinausgehen, am Ende meines Schreibens, wenn ich sozusagen die Tür wieder leise schließe – wenn ich also die Tür wieder „zu“ mache –, sollte schon deutlich werden, was es heißt, eine Heimat zu haben.

 

Die Zerrissenheit des modernen Menschen

Man kann sagen, dass mein Lied jenseits von Gut und Böse ist, denn ich besinge die Heimat weder als etwas Gutes, wie es die Heimat-Heinis normalerweise tun, noch als etwas Böses. Das Lied zeigt – Pling, Plong – meine Zerrissenheit, die stets aufs Neue aufbricht, wenn es um die Heimat geht.

Früher habe ich manchmal im Scherz gesagt: „Von der Zerrissenheit des modernen Menschen kann ich auch ein Lied singen – zweistimmig“. Das war ein Spruch, den ich leichtfertig dahingesagt habe. Klar: Natürlich kann ich nicht mit mir selber zweistimmig singen, aber abgesehen davon stimmt es.

Als ich das Lied entworfen habe, habe ich mich an zwei Vorbildern orientiert: an Georg Kreisler und an meinem Großvater aus dem kalten Osten, der Akkordeon spielen konnte. Er hatte ein überschaubares Repertoire von Liedern, bei denen beim Zuhörer entweder still im Aug‘ die Träne erglänzte oder der Effekt eintrat, dass er von der Überdosis Rührseligkeit vom Hocker gerissen wurde.

Je älter ich wurde, desto öfter blieb der Hocker frei. Dennoch mochte ich die Lieder irgendwie. Es war schließlich mein Opa, der sie spielte. Außerdem sollte man den Musikgeschmack der einfachen Leute respektieren, noch dazu, wenn sie in der DDR leben mussten, wo es auch keine richtigen Autos gab, nicht mal richtige Spielzeugautos wie die von Matchbox und natürlich keine modernen Lieder. Die DDR war voll von Ruinen und Überresten aus alten Zeiten. Da war ich geboren, lebte aber nicht mehr da, ich kam immer nur in den Sommerferien rüber. War das trotzdem meine richtige Heimat? Mein eigentliches Zuhause?

Da gab es transusige Lieder von einem gewissen Mariechen, das weinend im Garten saß und von einem Mädchen in einem Polenstädtchen, das nicht küssen wollte, und schön war wie Milch und Blut.

 

So stellte ich mir Heimatlieder vor:

Sie sollten nach Möglichkeit eine genaue Ortsangabe enthalten wie zum Beispiel Buda-Budapest, wo die Julischka lebte, die sich ebenfalls nicht küssen lassen wollte, oder Treuenbrietzen. Opa wohnte nicht weit davon in Coswig, nahe der Lutherstadt Wittenberg. In einem anderen Lied ohne genaue Ortsangabe hieß es immer „da rief sie Heimat, süße Heimat, wann werden wir uns wiedersehn?!“

Opa schien das locker zu nehmen. Es waren Lieder, die der Oma gefielen. Lenin hatte bekanntlich gesagt, dass man die Revolution mit den Leuten machen müsse, die gerade da wären. Womöglich hatte Opa auch so gedacht: Er spielte die Lieder, die nun mal da waren. Angela Merkel denkt bekanntlich ähnlich von den Migranten, die zunächst Flüchtlinge genannt wurden: Nun sind sie halt da.

Man konnte ihm ansehen, dass er ein ironisches Verhältnis zu allem hatte: zu den Liedern, zur Heimat, zu Küssen und zum Kommunismus. Vielleicht lag es daran, dass er asbach uralt war und die Lieder schon oft gespielte hatte, dass sich eine Distanz ganz von alleine eingestellt hatte – oder daran, dass er von Lenin wusste, dass der echte Revolutionär sich stets einen Rest von Selbstironie bewahren sollte, und dass er das auch anstrebte.

Opa war gut vertraut mit den Grundlagen des Marxismus-Leninismus. Das ließ er gelegentlich durchblicken. Etwa, wenn er die Werkzeugkiste öffnete und sagte: „So, dann wollen wir mal zu Hammer und Sichel greifen“ oder wenn er mich ins Bett steckte und, statt mir eine Gutenachtgeschichte zu erzählen, nur kurz die Parole ausgab: „Schlaf schneller, Genosse, dein Bett wird gebraucht!“

Auch bei den Liedern blinzelte er mir verschwörerisch zu, als wollte er sagen, dass er, genau wie ich, der Meinung war, dass diese Frau, die immer „Heimat, süße Heimat“ rief, einen Knall hatte und zwar einen ziemlich lauten. Wir trieben sogar vorsätzlich Schabernack mit dem Lied und verletzten dabei womöglich Gefühle von Minderheiten.

Das Mädchen aus dem Polenstädtchen ertrinkt zum Schluss: In einem Teiche findet man eines Tages ihre Leiche und es heißt – was ich sehr bemerkenswert fand: „Sie hielt ‚nen Zettel in der Hand, worauf geschrieben stand: Ich hab‘ einmal geküsst und schwer gebüßt“.

Heimat der Wasserleichen

Man konnte das nur mit innerem Grinsen aushalten. Es war schließlich die Zeit der Beatles. Die Lieder, die ich wirklich gerne mochte, hörten sich anders an, das waren keine Bänkel-, Volks-, Heimat- oder Wanderlieder, das waren Songs. Da ging es um love and kisses und um beautiful girls, von denen ich nicht annahm, dass sie sich nicht küssen lassen wollten. Das gefiel mir besser.

Die Heimatlieder gefielen mir nicht so gut. Milch und Blut waren weder meine liebsten Getränke – schließlich war ich kein Kind mehr und auch kein Vampir –, noch könnte man mit den Schlagworten „Milch“ und „Blut“ mein damaliges Schönheitsideal zutreffend beschreiben. London war mir näher als Warschau. Polen war außerdem schwer erreichbar, es lag weit hinter dem eisernen Vorhang, war aber noch nicht verloren.

Mehr und mehr bildete ich mir meinen eigenen Geschmack. Dennoch mochte ich auch die Hits von Anno Dazumal. Das Bänkellied – das habe ich allerdings erst später erfahren – war in der guten, alten Zeit so etwas wie der Punk von der letzten Bank, der mit absichtlichen Geschmacksverirrungen auftrumpfte, um die Nasenrümpferinnen fernzuhalten. Erst wenn sich die feinen Damen kopfschüttelnd verzogen hatten, wurde es auf den wackeligen Bänken im Hinterhof gemütlich.

Geschmacklosigkeiten gehörten als Stilelement dazu. Das fand Opa auch. Da waren wir uns einig. Aus Jux und Dollerei sangen wir im Anschluss an das tragische Ende der polnischen Schönheit, wenn ihre Leiche aus dem Wasser gezogen wurde: „Da rief sie Heimat, süße Heimat, wann werde ich dich wiederseh’n“, obwohl die Textzeile da nicht hingehörte und uns beiden klar war, dass Wasserleichen nichts mehr rufen können.

Das war ja der Witz an der Sache. Irgendwie passte die Unstimmigkeit zu dem besungenen Heimatgefühl, an dem auch irgendetwas nicht stimmte. Ich wusste nur noch nicht, dass es etwas mit dem Zeitparadox zu tun hatte und der vergeblichen Liebesmüh, etwas Totes lebendig zu halten. Ich spürte, dass da irgendwas faul war. Die Texte waren mündlich überliefert. Die stimmten sowieso nur knapp zur Hälfte, und die Schönheiten waren auch schon lange tot. Ein Heimatlied, so dachte ich damals, war ein unzeitgemäßes, minderwertiges Musikprogramm für Wasserleichen.

Vielleicht war mir deshalb die Heimat so unheimlich. Heimat war ein verwunschener Ort, der von Untoten bewohnt war, die einen Zettel in der Hand hielten, auf denen eine bedrohliche Botschaft stand. In der Heimat gab es dunkle Kellerräume, in denen immer noch Leichen lagen, was kurz nach dem Krieg nicht weiter verwunderlich war. Da hatten die Leute eben noch Leichen im Keller. Deshalb hatte ich immer Angst, in den Keller zu gehen und zwei Schippen Kohlen zu holen.

Küsse gehörten nicht zur Heimat. Tränen ja, Küsse nein. Küsse waren Fremdkörper in der Heimat. Doch da war ich nicht sicher, meine Vorstellung davon, wie oft ein schönes Mädchen küssen sollte, waren noch in der Entwicklungsphase. Mir war auch nicht klar, ob die Formel „Einmal ist keinmal“, die auf dem Land kursierte, auch für Küsse galt.

 

Das alte Schnitzel wird zum letzten Mal gegessen

Meine zweite Inspirationsquelle war Georg Kreisler. Wir hatten Langspielplatten von ihm, die noch richtig knisterten – so wie das Silberpapier, wenn man eine Tafel Schokolade aufreißt. Kreisler sang eindrucksvolle Lieder über Wien, über Gelsenkirchen und über das Alpenglühen, das alle Vergänglichkeiten dieser Welt überdauert.

Das hatte es mir besonders angetan. Es ist ein ergreifendes Stimmungsbild voller Endzeitvisionen, die gut zu Wasserleichen passten: „Das alte Tannenwäldchen schickt die letzten Grüße … Der alte Förster wäscht zum letzten Mal die Füße … Der alte Meter wird zum letzten Mal gemessen … Das alte Schnitzel wird zum letzten Mal gegessen … Der alte Hofhund raucht die letzte Zigarette … die alte Leiche liegt zum letzten Mal im Sarg.“

Kurz: Heimat war das Letzte. Man konnte nur darüber spotten. Oder etwa nicht?

War es womöglich ganz anders? War Heimat etwas Wertvolles und Wesentliches; etwas, das über allen Wipfeln und über allen Zipfeln von Gartenzwergen stand, über allen Moden – als Inbegriff einer alten Hoffnung?

Ich habe Ernst Bloch gelesen wie ein ungeduldiger Krimi-Konsument, der neugierig im letzten Kapitel nachguckt, wer denn nun der Mörder ist. So bin ich vorgedrungen bis zu dem berühmten Finale aus dem dreibändigen Werk „Prinzip Hoffnung“: Da heißt es: „… so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“

Da scheint also etwas, das man Heimat nennt, in die Kindheit hinein wie ein Lichtschein unter einem Vorhang im Theater. Auch die Sprache von Ernst Bloch leuchtet gelegentlich auf, da gibt es Formulierungen wie: „Zukunft in der Vergangenheit“, „Dunkel des gelebten Augenblicks“ oder „Melancholie des Erreichten“.

Heimat wäre demnach nicht etwa ein versunkenes Etwas, das in der Vergangenheit liegt, nach der sich die Ewiggestrigen vergeblich zurücksehnen, sondern vielmehr etwas, das in der Zukunft liegt, die von den Ewigmorgigen angestrebt wird. Da stellt sich dann schon die bange Frage: Hatte ich bisher überhaupt eine Heimat? Werde ich jemals eine haben?

Eine Heimat hatte ich womöglich nicht, eine Kindheit schon. Ich hatte, wie ich betonen will, keine unglückliche Kindheit. Das klingt zunächst wie ein Vorteil, kann sich aber auch als Nachteil erweisen – wenn man nämlich Schriftsteller werden will und sich nach Ernest Hemingway richtet. Hemingway, den ich hier in aller gebotenen Hemdsärmeligkeit aus dem Gedächtnis zitiere, meinte, dass eine unglückliche Kindheit die beste Voraussetzung wäre, später ein halbwegs guter Schriftsteller zu werden.

Egal. Ich würde niemals die doppelte Menge einer erfolgreichen Schriftstellerkarriere gegen meine Kindheit eintauschen. Geht auch nicht. Außerdem hat meine Kindheit keinen besonders hohen Tauschwert. Ich bin in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, ich war ein Flüchtlingskind. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich immer noch so viele Flüchtigkeitsfehler mache.

 

Nun lebte ich am Fuße des Werscher Berges.

Doch das war kein richtiger Berg, das war eine bescheidene Erhebung; ein Trostpreis, mit dem ich mich nicht abfinden wollte; ein Witz im Vergleich zu den Alpen, die noch richtig glühen konnten. Es war eben das, was da war.

Da habe ich Buden gebaut. Da habe ich mit Günter Disselbeck im Winter mit unseren Schlitten Abfahrtsbahnen ausprobiert. Eine nannten wir einfallslos „Zick-Zack-Bahn“, eine andere angeberisch „Todesbahn“. Auf der Zick-Zack-Bahn war es dann auch – und nicht etwa auf der Todesbahn –, auf der ich tatsächlich beinahe zu Tode gekommen wäre. Dann hätten die Bahnen die Namen tauschen können. Aber selbst mit einem Krankenhausaufenthalt qualifizierte ich mich nicht für eine unglückliche Kindheit nach den strengen Anforderungen von Hemingway.

Also Kindheit ja, aber Heimat? Ich war aus dem Osten. Da war ich „von wech“, wie die Norddeutschen sagen, die aus unerfindlichen Gründen nur ungern ein „g“ aussprechen, als hätten sie was dagegen. Vielleicht können sie es nicht. Sie sagen auch: Werscher „Berch“.

 

Heimat ist eine zue Tür

Hertha Müller kann auch etwas zum Thema beitragen. Sie sagte, wie ich ebenfalls locker aus dem Gedächtnis zitiere: Heimat sei das gesprochene Wort. Der Klang der Sprache sei es, der das Heimatgefühl ausmacht. Opa hätte gesagt: Der Ton macht die Musik.

Demnach müsste mir der Sound des gesprochenen Wortes im Landkreis Osnabrück das richtige Heimatgefühl bereiten. Doch das tut er nicht. Oder nur ein bisschen. Die Leute reden so, wie die Flimmergestalten im Fernsehen reden. Das schafft kein Heimatgefühl. Weiter im Norden reden sie wie Hein Blöd. Das kann jeder. Man muss nur die Vokaaale verlääängern.

Es gibt zwar gewisse sprachliche Besonderheiten des Osnabrückerischen, doch für einen richtigen Dialekt reicht es noch lange nicht. Die Leute in der Gegend sagen: „ausses Auge“, „abbes Bein“ und „zue Tür“ – und sie kennen das Geheimnis der Zufriedenheit. Wenn sie sagen, dass sie „nicht gut zufrieden“ sind, meinen sie, dass sie krank sind. Ich weiß das deshalb, weil meine Mutter Lehrerin war und viele Entschuldigungszettel lesen musste, auf denen sich die Schüler entschuldigen ließen, weil sie „nicht gut zufrieden“ waren.

Neulich gab es eine Studie, in der untersucht wurde, wie zufrieden die Menschen in Deutschland sind. Ganz schlecht schnitt Dessau ab. Da sind die Leute überhaupt nicht zufrieden. Ausgerechnet das ist die Gegend, wo ich herkomme, wo ich von wech bin. Ich müsste demnach zutiefst unzufrieden sein. Doch ich habe auch am Werscher Berg gelebt. Der wiederum liegt im Landkreis Osnabrück.

Der Landkreis hat besonders gut abgeschnitten. Just in dieser Gegend sind die Menschen der Studie zufolge sehr gut zufrieden, was allerdings daran liegen könnte, dass sie nicht wissen, wovon sie reden, wenn sie Angaben über ihre Zufriedenheit machen sollen.

Das gesprochene Wort grenzt aus. Man erkennt schon am Klang, wer dazugehört und wer nicht. Auch die Sprache von Ernst Bloch ist eine Sondersprache, die so manchen Bewohner der Heimat ausgrenzt. Es gibt Leser, die schauen sich eine Seite seiner Prosa an und sagen: Nee, das kann ich nicht lesen.

Sondersprachen sind wie Igel. Sie rollen sich zusammen, damit es nach innen warm ist, und sie sticheln nach außen. Wer Dialekt spricht, sagt zu allen anderen: Wech!, Wech!, Wech mit dir, du gehörst nicht dazu. Der Dialekt ist eine zue Tür.

Auch die Heimat ist eine zue Tür. Sonst wird es ungemütlich und zieht wie Hechtsuppe. Ich war mal in einem Hotelzimmer, da ist plötzlich in der Nacht die Tür aufgegangen, einfach so. Es ist nichts weiter passiert. Es kam kein Gespenst, kein Einbrecher – nichts –, es blieb ein Geheimnis. Plötzlich war die Tür aufgegangen. Von selber. Man fühlt sich in Hotelzimmern sowieso nicht heimelig. Mit offener Tür war es besonders schlimm.

Es ist nicht schlecht, eine Heimat zu haben – mit einer Tür, die man zumachen kann. Wer eine Heimat hat, hat auch nichts dagegen, dass andere ebenfalls eine haben. Im Gegenteil: Er kann sich vorstellen, was es bedeutet, eine zu haben.

 

Die Rehe in der Abenddämmerung

So: Nun kommen wir zu meinem Lied mit Ortsangabe: Die Rehe in der Abenddämmerung, ein norddeutsches Heimatlied.

Bei dem Instrument handelt es sich um ein pädagogisch wertvolles Spielzeug von der Firma Purzelzwerg mit dem angeberischen Namen Riesen-Pling-Plong. Ich hätte es anders genannt. Aber bitte: Wenn eine derartig kleine Spieluhr als „Riesen-Pling-Plong“ durchgeht, dann kann man auch die bescheidene Erhebung in Wersche als „Berg“ bezeichnen.

Das Riesen-Pling-Plong wird mit einem Lochstreifen betreiben, den man selber lochen muss. Durch die Löcher erhält man ein bekanntes Volks- und Heimatlied wie zum Beispiel Am Brunnen vor dem Tore. Man kann sich in kreativer Heimarbeit auch ein eigenes Volks- und Heimatlied zusammenlöchern. Das habe ich getan. Es wurde ein Lied wie das Leben: alles selber gemacht. Das Riesen-Pling-Plong erwies sich als das ideale Instrument für mich und meine Möglichkeiten. Wenn die Löcher erst mal drin sind, kann man keine weiteren Fehler mehr machen.

Die musikalischen Möglichkeiten halten sich in Grenzen. C-Dur. Es gibt einen überraschenden Wechsel auf d-moll und einen halben Takt, der versehentlich entstanden ist und dem Lied etwas Schwung verleiht, außerdem ein kleines Solo. Es klingt von ganz alleine so, als würde man damit von der Zerrissenheit des modernen Menschen singen, mit „inniger Ironie“, wie Peter Handke womöglich sagen würde.

Harry Rowohlt wiederum meinte, dass die Melodie geklaut wäre von Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand. Möglich ist es. Aber dann wäre es Mundraub.

Es gibt verschiedene Live-Aufnahmen und eine Instrumentalversion von Hans Metsch, der sich früher Hansi nannte und zusammen mit Fritz Fleischer alte, mittelalte und sogar noch ältere Lieder auffrischte. Thommie Bayer hat eine Studio-Aufnahme eingespielt, bei der man, wenn man genau hinhört, im Hintergrund Mähdrescher, Posaunen und Vogelstimmen hören kann.

Auf den Bildern sieht man das alte Schulhaus, das in der Abenddämmerung, wenn die Schüler längst wech waren, von den schüchternen Rehen heimgesucht wurde. Zum Schluss erkennt man Reh-Spuren im Schnee vor der Silhouette des Werscher Berges, die in ihrer Symmetrie an die Gaußsche Normalverteilungskurve für Männer erinnert (die Kurve für Männer ist bekanntlich flacher als die für Frauen).

Wenn man genau hinhört, hört man die Rehe weinen.

 

 

 

 

 

Comments are closed.